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»Die hatten doch nur Russisch in der DDR!«

Aktualisiert: 9. Juni 2019

2500 Akten in 13 Jahren Forschung analysiert


Der Hamburger Bildungshistoriker Alexander-Martin Sardina zeichnet 30 Jahre nach der Wende mit seinem bei uns erschienenen Buch ein differenziertes Bild vom Fremdsprachenunterricht in der SBZ und DDR und räumt durch seine Publikation mit einem gängigen Vorurteil auf.


Denkt man an die Zeit der sowjetischen Besatzung und die daraus hervorgegangene DDR, so assoziiert man im Hinblick auf den Fremdsprachenunterricht mit ihnen vermutlich zuerst einmal das Fach »Russisch«, das flächendeckend 1945 obligatorisch im System der Volksbildung eingeführt wurde. Doch die Realität war vielfältiger im Staatssozialismus: »Französisch« blieb zwar stets die »ewige Nummer 3«, doch auch diese Sprache gehörte zum Angebot an manchen POS und EOS, ebenso wie beispielsweise »Chinesisch«, »Polnisch«, »Sorbisch« oder »Spanisch« sowie »Latein« und »Griechisch« als altphilologische Fächer.


Mit der Forderung nach der Einführung der Plansprache »Esperanto« an den Schulen sah sich das Ministerium für Volksbildung zudem etwa alle zehn Jahre in geballten Aktionen aus dem In- und Ausland konfrontiert.


Sardina hat von 2003 bis 2016 eine Vielzahl an Dokumenten und Schriftstücken in Archiven gesichtet und analysiert (»Fakten aus Akten«). Jetzt sind die Ergebnisse seiner Forschungen als umfangreiche Publikation unter dem Titel »Hello, girls and boys!« – Fremdsprachenunterricht in der SBZ und DDR bei uns erschienen. Der Titel ist zugleich eine Hommage an die Sprachlehrreihe »English for You« im Bildungsfernsehen der DDR ab Mitte der 1960er-Jahre, denn jede Folge begann mit dieser Begrüßung: Die Beiträge zur Verbesserung des Englischunterrichts im Schulfernsehen der DDR werden ausführlich in einem Vertiefungskapitel dargestellt.


Zu den bemerkenswerten Resultaten zählen auch, dass in zwei weiteren Vertiefungskapiteln auf die einzige »Spezialschule für Fremdsprachen« (Berlin-Lichtenberg) und die mehrfachen Besuche von Schülern einer Highschool aus den USA an einer EOS unter dem Dach des Englischunterrichts, die bislang völlig unbekannt waren, eingegangen wird: Margot Honecker hatte diese einzigartigen Begegnungen persönlich genehmigt, gegen den Widerstand der eigenen Verwaltung und trotz der Bedenken des Ministeriums für Staatssicherheit.



Die Publikation kann ihren wissenschaftlichen Anspruch nicht verbergen, wurde aber von vornherein unter aktiver Einbeziehung von (ehemaligen) Englischlehrern, damals in der Volksbildung tätigen Pädagogen und an der DDR-Vergangenheit interessierten Laien als Zielgruppen verfasst. Der bewusst günstige Verkaufspreis für ein Fachbuch ist ebenfalls in diesem Zusammenhang zu sehen. Drei Interviews mit Zeitzeugen, die sich ungekürzt im Anhang befinden, sowie detaillierte Erläuterungen in fast 1000 Fußnoten und einigen Extrakapiteln gehen bewusst über das Kernthema hinaus und erleichtern dem Leser beispielsweise durch ein mitlaufendes Geschichtsbild, das sich an neuesten Archivfunden orientiert, die Einordnung des Inhalts.


Alexander-Martin Sardina:

»Hello, girls and boys!« – Fremdsprachenunterricht in der SBZ und DDR

690 Seiten, 24 Farb- und 30 Schwarzweißabbildungen

Wolff Verlag (ISBN 978-3941461-28-4), 29,00 Euro



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